Kommission will Missbrauch im Sport systematisch aufarbeiten

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Blick auf einen besonders stark tabuisierten Bereich / Opfer können in vertraulichem Rahmen sprechen

In Deutschland soll sexueller Missbrauch im Sport systematisch aufgearbeitet werden. Die Kommission zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch ruft Kinder, Jugendliche und Erwachsene auf, Missbrauchsvergehen beim Sport zu melden. Dieser Bereich sei besonders stark tabuisiert. Es fehle an Wissen, welche Bedingungen und Strukturen dort in der Vergangenheit Missbrauch ermöglicht und begünstigt hätten. Die Aufarbeitungskommission wurde vom Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, einberufen. Sie soll Strukturen aufdecken, die Missbrauch möglich machen. Laut der Vorsitzenden der Kommission, Sabine Andresen, haben die Berichte der Betroffenen, die sich bislang aus diesem Bereich gemeldet haben, gezeigt, dass dort eine unabhängige Aufarbeitung nötig sei. Die Kommission ermögliche es den Opfern, die beim Freizeit-, Breiten- oder Leistungssport sexualisierte Gewalt erlitten hätten, in einem vertraulichen Rahmen zu sprechen.

Sexualisierte Gewalt ist ein gesellschaftliches Problem und auch für den organisierten Sport ein wichtiges Thema, weil jeder einzelne Fall einer zu viel ist. Im Deutschlandfunk hatte Andresen erklärt, der sexuelle Missbrauch im Umfeld des Sports könne ähnliche Dimensionen haben wie in der Kirche: „Ich denke, wir müssen von einer großen Dimension ausgehen und wir müssen deswegen auch auf das System gucken. Der Verweis darauf, es handele sich immer nur um Einzelfälle, ist der Versuch auszublenden, und das nenne ich ein verantwortungsloses Verhalten.“ Der Sport biete vielfältige Gelegenheiten für sexuelle Übergriffe vor allem durch körperliche Nähe etwa bei Hilfestellungen, die es den Tätern ermöglichten, ihre Strategien anzuwenden. Es gebe Forschungsergebnisse, die darauf hindeuteten, „dass etwa jeder dritte Athlet Erfahrung gemacht hat mit sexueller Gewalt“.

DOSB und dsj sehen den Aufruf als wichtigen Beitrag, damit das noch immer vorhandene Tabu weiter gebrochen wird und Betroffene von sexualisierter Gewalt sich einer unabhängigen Stelle anvertrauen können. Die Geschichten von Betroffenen könnten auch anderen helfen, sich zu öffnen. DOSB und dsj versprechen sich davon auch weitere Erkenntnisse für die Weiterentwicklung der Prävention von sexualisierter Gewalt im Kinder- und Jugendsport, die bei ihnen einen hohen Stellenwert hat. Zudem richten sie ebenso den Blick auf den Kampf gegen sexuelle Belästigung und Gewalt im Erwachsenensport.

Der Sport handelt aktiv bei der Prävention sexualisierter Gewalt und der Aufarbeitung entsprechender Fälle. Bereits 2010 hat der DOSB die Münchener Erklärung verabschiedet, die eine Selbstverpflichtung aller Verbände ist, sich der Prävention sexualisierter Gewalt verstärkt zu widmen. DOSB und dsj beraten die Verbände dabei und stellen Handlungsempfehlungen sowie Kampagnen- und Infomaterial zur Verfügung. Im Bereich des Kinder- und Jugendsports hat die dsj die bisherigen Maßnahmen um das so genannte dsj-Stufenmodell erweitert, das die Weitergabe von öffentlichen Mitteln an die Umsetzung von Präventions-Maßnahmen in einer zeitlichen Taktung koppelt. Im Bereich Leistungssport werden ebenfalls in einem Stufenmodell Mindeststandards von den Verbänden zu Erlangung von Bundes-Zuwendungen verlangt.

Alle Infos zum Aufruf erhalten Interessierte unter www.aufarbeitungskommission.de/sport oder telefonisch unter 0800 40 300 40 (kostenfrei und anonym). Darüber hinaus sind Betroffene, Zeitzeugen und Angehörige, die von sexuellem Kindesmissbrauch in anderen Bereichen berichten möchten, weiterhin eingeladen, sich bei der Kommission für eine vertrauliche Anhörung anzumelden oder einen schriftlichen Bericht einzureichen.