Reisen erweitert den Horizont
Dass Reisen den Horizont erweitert, erfuhren die Teilnehmer am Jugendaustausch der Sportjugend Rheinland Pfalz zu Beginn der Sommerferien in Israel hautnah. Vorbehaltlos und gewiss mit einer großen Portion Neugier machten sich 9 Mädchen und Jungen aus Rheinland-Pfalz mit ihren beiden Betreuern Maren Schneider und Thorsten Kleppich auf die 10-tägige Reise nach Baqa-el-Gharbiya im Bezirk Haifa. Begleitet wurde die Gruppe von einer Führungsdelegation der Sportjugend mit ihrem Vorsitzenden Thomas Biewald, dem stellvertretenden Geschäftsführer Steffen Grummt sowie von Werner Hölzer (Sportjugend Rhein-Lahn), Ulrich Hennemann (Sportschießen) und Oliver Stephan (Fußball) als Vertreter heimischen Sports. Hölzer und Hennemann organisierten in den vergangenen Jahren den Aufenthalt der israelischen Jugendgruppen in Altendiez und Holzappel. Oliver Stephan nutzte den Besuch im Auftrag des Fußballverbands Rheinland zur Kontaktaufnahme zu einem israelischen Fußballclub.
Dass die Reise nicht in ein gewöhnliches Urlaubsland gehen sollte, machten schon die strengen Aus- und Einreiseformalitäten in Frankfurt und Tel Aviv mehr als deutlich. Ausführliche Befragungen und kleinliche Gepäckkontrollen gaben der Gruppe andererseits aber auch das Gefühl, ohne Bedenken in den Flieger steigen zu können.
Der Gast ist König
Ausgesprochen herzlich war die Aufnahme der deutschen Jugendlichen bei ihren palästinensischen Gastfamilien. Vor allem auch deshalb, weil die Partner sich schon vor der Reise per Internet bekannt gemacht und Freundschaften miteinander geschlossen hatten. Da in den Familien Arabisch gesprochen wird, das den Gästen genauso fremd war wie das Deutsche den Einheimischen, war Englisch die Sprachbrücke. So kam man auch schnell auf einen Nenner, wenn es darum ging, sich mit den unterschiedlichen Lebensgewohnheiten der Partner auseinanderzusetzen. Dass in der arabischen Kultur Zeit und Pünktlichkeit weit dehnbare Begriffe sein können, dass der Tag oft erst nach Mitternacht endet, dass man sich auf einer Hochzeit auch mal unter zwei bis dreitausend Gästen verliert und dass kleine Anlässe oft endlos langen Diskussionen zur Folge haben können, sind nur einige Beispiele, mit denen sich die deutschen Jugendlichen anfreunden mussten. Klar wurde aber auch, unter welchen Bedingungen die arabischen Israelis als Minderheit in einer weitestgehend jüdischen Umgebung zu leben haben. Trotz der Benachteiligung in vielen Lebensbereichen wundert man sich über die Freundlichkeit und das offene Entgegenkommen der Menschen. Dass „der Gast König ist“ könnte auch eine arabische Lebensweisheit sein – so jedenfalls empfanden es die Rheinland-Pfälzer, die am Ende des Austauschs von ihren Gastgebern und ihren Reiseindrücken begeistert erzählten. Umso schmerzhafter war auch für die Deutschen der Anblick der Mauer, die viele Familien aus Baqa-el-Gharbiya von ihren Verwandten in der Westbank trennt. Achlam Kabaha, Deutsch-Palästinenserin, Buchautorin und als Dolmetscherin für die Reisegruppe tätig, wusste viel zu erzählen von der eigenen Zerrissenheit als Wandlerin zwischen den Kulturen und über die Existenz der Palästinenser in Israel als Menschen zweiter Klasse.
Eine neue Erfahrung war auch der Besuch im Kibbuz Sdot Jam, in dem sich noch heute klassische Strukturen des Gemeinschaftslebens und zeitgemäße Wirtschaftsformen vermischen. Das nahe gelegene Caesarea mit den berühmten Ausgrabungen von Hafenanlage, Hippodrom und Amphitheater führte die Besucher zurück in die Zeit der römischen Besatzung Palästinas. Die prunkvollen Bahai-Gärten, das Mausoleum des Religionsstifters der Bahais und ein Abstecher zum Karmeliterkloster am Fuße des gleichnamigen Berges waren die Stationen in Israels größter Hafenmetropole Haifa. Die wechselvolle Geschichte von Akko lernte die Reisegruppe auf einem Rundgang durch die pittoreske Altstadt mit seinen unterirdischen Festungsanlagen kennen. Beim Besuch der Moschee konnte man einem leibhaftigen Muezzin bei seinem Aufruf zum Mittagsgebet über die Schulter blicken. Tiberias und der See Genezareth riefen bei den jungen Leuten Bilder aus dem Religionsunterricht in Erinnerung. Auf dem Golan, im Grenzgebiet zu Syrien und Jordanien, zeugen Stacheldrahtzäune und verminte Geländestreifen von der Zerbrechlichkeit des Friedens im Nahen Osten. In Yardenit am Jordan, wohin sonst Christen aus der ganzen Welt zur Taufe pilgern, vergnügten sich einige Mädchen und Jungen an einer kostenlosen Knabberfisch-Therapie. Weitere touristische Höhepunkte waren das moderne und weltoffene Tel Aviv, wo ein Empfang in der HAPOEL-Zentrale auf dem Plan stand, sowie die Kreuzfahrerstadt Jaffa vor den Toren der israelischen Metropole. Ein Abstecher zum Wingate-Institut in Netanya, der Top-Adresse für Forschung, Training und Ausbildung im israelischen Sport gehörte ebenfalls zum Pflichtprogramm wie die Aufwartung bei der Konrad-Adenauer-Stiftung in Jerusalem, wo die Gruppe Interessantes über der deutsch-israelischen Zusammenarbeit auf politischer Ebene erfuhr. An die dunklen Seiten der eigenen Geschichte erinnerten die Filme, Bilder und Exponate in der Holocaust Gedenkstätte Yad-Vashem. Was hatte man nicht schon alles über Jerusalem gehört oder gelesen? Leibhaftig einzutauchen in die Stadt der Gegensätze, in das Menschengewimmel im Gewirr der Altstadtgassen, den Basar zu erleben, die heiligen Stätten von Juden, Muslimen und Christen mit eigenen Augen zu sehen, war doch etwas anderes und für viele das absolute Highlight der Reise. Nicht fehlen durfte schließlich auch ein Bad im Toten Meer. Ein Paradies für Nichtschwimmer. Sich im konzentrierten Salzwasser einfach treiben lassen. Von einer Erfrischung konnte allerdings keine Rede sein und wehe man schluckte Wasser oder bekam es in die Augen.
Ungeplant sorgte ein ehemaliger Altendiezer für eine besondere Überraschung. Walter Dietrich, nach Israel der Liebe wegen ausgewandert, betreibt heute an der Marina in Herzliya ein erfolgreiches Charterboot-Unternehmen. Als er vom Besuch von Werner Hölzer hörte, lud er die gesamte Gruppe spontan zu einem unvergesslichen Trip auf einem seiner Ausflugsboote ein.
Begeistert aber auch nachdenklich geworden durch die Flut an neuen Eindrücken kehrte die Sportjugend-Gruppe nach Deutschland zurück. Mit den neuen Freunden in Baqa-e-Gharbiya wird die Verbindung aufrecht erhalten bleiben, dafür gibt es Internet, Facebook oder WhatsApp. Und sicher wird man sich wiedersehen, vielleicht schon im nächsten Jahr irgendwo in Rheinland-Pfalz.
Text: Ulrich Hennemann
Das Austauschprogramm zwischen der Sportjugend Rheinland-Pfalz und der HAPOEL Sports Association wurde während der Reise um vier Jahre verlängert. Sportvereine, die sich für eine Ausrichtung der nächsten Inlandsbegegnung vom 18.7. bis 29.7.2016 interessieren, informieren sich bei Herrn Steffen Grummt, Sportjugend Rheinland-Pfalz – Rheinallee 1, 55016 Mainz – Tel. 06131-2814352 – Mail: diehl@nullsportjugend.de